Herzlich Willkommen bei Horizont Bipolar – Von Betroffenen für Betroffene.
In diesem Blog Beitrag geht es um den Umgang und die Akzeptanz mit der Diagnose der bipolaren Störung, die erschreckenden Statistiken rund um unsere Krankheit und darum wie wir diesen Statistiken entfliehen können.
Mein Name ist René, ich bin Bipolar Typ 1. Vielen Dank fürs lesen.
DIE DIAGNOSE
Du bist Bipolar Diagnostiziert worden. Das ist bestimmt ein Schock, für mich zumindest war das damals ein Schock.
Doch nun hast du eine Diagnose. Und eine korrekte Diagnose zu erhalten ist der erste Schritt in die richtige Richtung um mit dieser Krankheit gut zurechtkommen zu können.
Denn Lt. der deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen dauert es im Durschnitt 10 Jahre bis eine korrekte Diagnose gestellt wird. Bipolare Störungen sind nämlich oft schwer zu diagnostizieren, da die depressiven Symptome anderen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen ähneln und die manischen Symptome eine Ähnlichkeit mit ADHS oder auch der Borderline-Persönlichkeitsstörung aufweisen. Des Weiteren werden die für die Diagnosestellung sehr entscheidenden manischen oder hypomanischen Phasen von den Betroffenen oftmals als normale Hochphase fehlinterpretiert und damit dem Arzt gegenüber auch nicht kommuniziert. Viele Betroffene erleben auch Selbstigmatisierung und verleugnen oder bagatellisieren Ihre Symptome. Aber auch unzureichende Kenntnisse über die bipolare Störung bei Ärzten sowie eine ungenaue oder unvollständige Anamnese, wie die Erfassung der Krankengeschichte, familiäre Vorgeschichte oder wichtige Informationen über vergangene Stimmungsepisoden, erschweren die Diagnose. Betroffene der bipolaren Störung konsultieren in 8 Jahren durchschnittlich drei bis fünf verschiedene Ärzte bis Sie die exakte Diagnose erhalten.
Dies lässt einige schmerzliche, verzweifelte, dunkle Jahre und einige unnötige Krankheitsepisoden für die Betroffenen vermuten.
Denn zum einen ist die Krankheit ohne die medikamentöse Unterstützung einfach Unberechenbar, zum anderen kann eine falsche Medikation, zum Beispiel durch die Einnahme eines unpassenden Antidepressiva, das Entstehen von manischen Phasen zusätzlich begünstigen. Dabei ist das vermeiden und abmildern von Krankheitsphasen der wichtigste Faktor für ein lebenswertes Leben mit dieser, unserer Krankheit. Denn jede weitere Krankheitsphase kann die Wahrscheinlichkeit für weitere Episoden steigern, deren Intervalle verkürzen, unser Hirn nachhaltig schädigen und damit den Krankheitsverlauf insgesamt verschlimmern.
DIE STATISTIKEN
Nach dem Erhalt meiner Diagnose und inmitten einer schweren Depression informierte ich mich, nicht zuletzt aufgrund der Empfehlung meines Psychiaters, über diese Krankheit über die ich, wie die meisten, nur oberflächlich informiert war.
Es war für mich sehr schlimm und entmutigend die Fakten und Statistiken zur Bipolaren Störung zu lesen. Aber ich glaube es ist notwendig sich mit diesen Informationen auseinanderzusetzten um den Ernst der Lage zu erkennen und um dieser Krankheit entschlossen genug entgegen treten zu können. Hier also die erschreckenden Fakten, die fürchterlichen Statistiken und die Erkenntnis, dass wir nicht dazu verdammt sind diese Statistiken zu bestätigten.
Kürzere Lebenserwartung
Im Durschnitt sterben Menschen mit bipolaren Erkrankungen 9 Jahre früher, die häufigsten Todesursachen sind Suizid, Alkoholmissbrauch und Herz-Kreislauf Erkrankungen.
Verlust gesunder Lebensjahre
Im Durschnitt verlieren Menschen mit bipolaren Erkrankungen 12 gesunde Lebensjahre. Diese Statistik konnte ich damals nicht ganz nachvollziehen. Aber im Laufe einer schweren depressiven Phase die mich viele Monate beschäftigte wurde mir klar, dass dieses nicht lebenswerte knappe Jahr eines der gesunden Jahre war die ich an die Krankheit verloren habe.
Suizidrate
Ungefähr 25-50% aller Menschen mit bipolarer Erkrankung versuchen sich mindestens einmal das Leben zu nehmen. In ungefähr 15-30% der Fälle endet dies tragischer weise tödlich.
Soziale Auswirkungen
o Arbeitsplatzverlust erfahren ca. 60%.
o Alkoholmissbrauch- und Abhängigkeit ca. 40-60%.
o Drogenmissbrauch und Abhängigkeit ca. 30-50%.
o Finanzielle Schwierigkeiten
o Trennungen/Scheidungen
o Beschädigte- und zerstörte Beziehungen
All diese Informationen waren für mich sehr belastend und gaben mir keine Hoffnung auf eine glückliche Zukunft. Auch deshalb weil ich mich in Teilen der Statistik wiederfand. Während meiner Manie dachte ich mehrere Male, dass ich einen Herzinfarkt erleide. Ich habe meine Arbeitsstelle und meine Teilhaberschaft verloren. Ich habe meine Liebsten vor den Kopf gestoßen. Ich habe Drogenmissbrauch in Form von Cannabiskonsum betrieben. Und während meiner schweren Depression dachte ich an Selbstmord. Ich sah keinen Ausweg und keinen Horizont auf den ich zusteuern konnte.
AKZEPTANZ UND HOFFNUNG
Bis mir im Laufe der Zeit klar wurde, dass es sehr viele Menschen geben muss, die gut mit dieser Krankheit zurechtkommen. Menschen die an dieser Krankheit seit Jahrzehnten leiden und dennoch wohl ein lebenswertes Leben führen.
Nachdem ich also wusste das andere Menschen trotz dieser Krankheit ein gutes Leben führen, dachte ich mir, dann kann ich das auch. Ich las mich immer tiefer in das Thema ein, was ich jedem Betroffenen eindringlich ans Herz legen möchte. Mit jedem bisschen Wissen, dass ich mir aneignete steigerte es meine Akzeptanz und nahm mir ein Stückweit die Angst vor meiner/unserer Krankheit. Die Angst nahm es mir vor allem deswegen, weil ich erkannte, dass wir dieser Krankheit nicht machtlos ausgeliefert sind. Denn jeder kann, durch richtige Verhaltensweisen und das minimieren von Risikofaktoren, den Verlauf seiner Krankheit und damit seine Lebensqualität ein großes Stück weit verbessern und den vorgegebenen Statistiken somit den Kampf ansagen.
Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe, ein Zitat von Winston Churchill.
Ein Sprichwort über Statistiken besagt außerdem: Statistisch gesehen haben ein Obdachloser und ein Millionär jeweils € 500.000,-. Und mit den Statistiken über die bipolare Störung ist es das Selbe.
Denn die Angaben zu der verkürzten Lebensdauer, den verlorenen gesunden Jahren, der Suizidrate und auch die sozialen Auswirkungen sind statistische Mittelwerte die auf uns absolut nicht zutreffen müssen.
Die Statistik muss schon allein aufgrund der demografischen Unterschiede zwangsläufig variieren. Daten für diese Statistiken werden oftmals aus verschiedenen Ländern gesammelt, und die Qualität des Gesundheitssystems sowie die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Medikamenten können von Land zu Land sehr unterschiedlich sein. In Ländern mit weniger entwickelten Gesundheitssystemen ist die Prognose natürlich ungünstiger. Durch unser, nicht perfektes, aber doch solides Gesundheit System haben wir also wahrscheinlich schon eine etwas günstigere Ausgangslage im Hinblick auf die Statistik. Auch ein unterstützendes soziales Umfeld wirkt sich sehr positiv auf unsere Erkrankung aus, was unglücklicherweise nicht jedem vergönnt ist.
Die wichtigste Erkenntnis ist allerdings, dass wir uns durch Achtsamkeit, Wissen und diszipliniertes Verhalten teilweise vor weiteren Phasen schützen oder diese abmildern können. Durch gegenteiliges Verhalten können wir wiederum weitere unnötige Phasen provozieren und unseren Krankheitsverlauf damit allgemein verschlechtern.
BEISPIELE FÜR POSITIVE UND NEGATIVE FAKTOREN
Die Statistik-Killer
o Medikamente regelmäßig einnehmen
o Psychiater regelmäßig treffen
o Ausreichend Schlaf
o Wenig Stress
o Psychotherapie
o Soziales Beziehungen
o Keine Nachtarbeit
Der Weg in die Statistik
o Fehlende Krankheitseinsicht. Und, die damit verbundene fehlende Medikation
o Medikamente undiszipliniert einnehmen, also absetzen, unregelmäßig einnehmen oder die Dosierung eigenmächtig ändern
o Drogenmissbrauch, denn Drogen können Manien auslösen
o Einsamkeit
VORSCHAU
Der übernächste Blog Beitrag mit dem Titel „Wie kann ich Krankheitsphasen vermeiden“ befasst sich ausführlich mit den angesprochenen positiven und negativen Faktoren und Verhaltensweisen, die unser Leben mit der bipolaren Erkrankung entweder einfacher oder zermürbender machen. Dieses Thema ist sehr wichtig, denn es ist die Basis für ein gutes Leben trotz und mit unserer Krankheit.
Im nächsten Blog Beitrag mit dem Titel „Die Gefahren der einzelnen Phasen“ werde ich dir aber zuerst aufzeigen welche Gefahren in den unterschiedlichen Phasen lauern, welche Auswirkungen diese auf unser Leben haben können und die Erkenntnis, dass es eine Phase gibt gegen die wir uns aktiv schützen können.
WARUM HORIZONT BIPOLAR
Nun noch kurz dazu warum ich mich dazu entschlossen habe mit Horizont Bipolar zu starten? Während ich diese Krankheit für mich akzeptieren musste hatte ich das große Bedürfnis die Betroffenen selbst zu hören. Ihre Geschichten, Ihre Erfahrungen, Ihre Ratschläge und wie Sie Ihren Alltag in den unterschiedlichen Phasen meistern.
Aus diesem Grund wird dieser Kanal auch Betroffenen-Interviews und Ergebnisse aus Umfragen mit Betroffenen beinhalten. Ich bin daher aktiv auf der Suche nach Betroffenen die sich für ein Interview zur Verfügung stellen würden und Betroffene die meinen Newsletter abonnieren um sich an kommenden Umfragen zu beteiligen.
Wenn du an einem Interview interessiert bist, melde dich bitte. Du hilfst damit anderen Ihren bipolaren Weg zu erleichtern und trägst zur Entstigmatisierung unserer Krankheit in der Öffentlichkeit bei.
Auf meiner Website www.horizont-bipolar.at findest du meine Kontaktinformationen, nähere Infos darüber wie ein Interview ablaufen würde. Außerdem kannst du dich für den Newsletter eintragen um keinen Beitrag zu verpassen und um dich an Umfragen beteiligen zu können.
VERABSCHIEDUNG
Ich hoffe ich konnte euch einige interessante Informationen liefern und ein klein wenig Hoffnung schenken.
Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit.
Bleibt stark!
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