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Wie fühlt sich eine Manie an? Teil 1



Herzlich Willkommen bei Horizont Bipolar – Von Betroffenen für Betroffene.


In diesem Bog Beitrag für Angehörige und Interessierte schreibe ich über die Symptome der Manie und versuche, anhand meiner persönlichen Erfahrungen ein möglichst verständliches Bild der Gedanken- und Gefühlswelt zu vermitteln.


Mein Name ist René, ich bin bipolar Typ 1, vielen Dank fürs lesen.


Im Blog Beitrag, Früherkennung und Vorbereitung, habe ich über die Möglichkeiten der Früherkennung wie zum Beispiel durch Selbstbeobachtung oder durch informierte Angehörige geschrieben. Ich habe die Warnzeichen beschrieben die auf eine beginnende Manie hinweisen können und aufgezeigt welche Möglichkeiten es gibt um sich besser auf eine mögliche Phase vorzubereiten, wie zum Beispiel mit einem Notfallplan oder mit abgesicherten Finanzen, usw. Dieser Beitrag ist auch sehr wichtig für Angehörige, da diese einen entscheidenden Beitrag zur Früherkennung und der Vorbereitung leisten können und sollten.

 

Ein Zitat von Kanye West finde ich ziemlich passend für diesen Beitrag

„I hate being bipolar, it´s awesome“, also „Ich hasse es, bipolar zu sein, es ist großartig“

 

Meiner Meinung nach trifft es dieses kurze Zitat mit am besten. Die Bipolare Störung ist eine schwere psychische Erkrankung. Die Auswirkungen die während oder durch eine Manie entstehen können sind teils verheerend. Und die Zeit die wir in größter Verzweiflung in einer dunklen Depression verbringen ist furchtbar. Aber die Manie selbst, die ist großartig.



DIE SYMPTOME UND WIE SIE SICH BEMERKBAR MACHEN


Als kurzes Vorwort möchte ich mit euch noch zwei Informationen teilen, die mir wichtig erscheinen um meinen Beschreibungen besser folgen zu können.

 

1.    Ich bin aus einer längeren Depression heraus direkt in die Manie geschlittert.

War also zu Beginn in einer depressiven Stimmung mit den entsprechenden Symptomen.

 

2.    Die positive Veränderung meiner Gemütslage und die begleitenden manischen Symptome waren für mich auf schlagartig da und extrem stark spürbar, was vielleicht auch daran lag, dass ich in den Jahren davor eine depressive Grundstimmung hatte. Es begann für mich also buchstäblich von Null auf Hundert, allerdings sollte sich die Geschwindigkeit im Laufe der Manie noch drastischer erhöhen, bei gefühlten 300 landete ich zwei Wochen nach dem Beginn meiner Manie in der stationären Psychiatrie.


Gesteigerte Energie und Aktivität

Von einem Tag auf den anderen Tag veränderte sich mein Energielevel drastisch ins Positive. Normalerweise musste ich mich morgens unabhängig von der Schlafdauer aus dem Bett quälen, ich fühlte mich nie ausgeschlafen. Ein typisches depressives Symptom. Aber an jenem Tag zu Beginn meiner Manie wachte ich so ausgeschlafen auf, wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Meine altbekannte Antriebslosigkeit der letzten Jahre war verschwunden. Im Gegenteil, ich musste einfach etwas machen. Fernsehen, Computer spielen oder ein Buch zu lesen, war für mich nur noch Zeitverschwendung. Ich habe noch nie Kokain konsumiert, aber schon Einiges darüber erzählt bekommen. Ich dachte damals, dass sich ein Kilo Kokain wohl in etwa so anfühlen müsste wie ich mich gerade fühlte. Ich wollte ständig unterwegs sein, Leute treffen, feiern gehen, an etwas arbeiten, was auch immer. Für meinen Ordnungssinn war ich noch nie berühmt, umso erstaunter waren meine Frau und mein Vater, als ich darauf bestand seinen Keller aufzuräumen. Freiwillig aufzuräumen war so gar nicht normal für mich, aber ich musste einfach etwas zu tun haben, ich konnte nicht still sitzen.         


Gefühl von Euphorie

In einer Depression denkt man sich warum habe ich denn an gar nichts mehr Freude, kein Interesse an irgendwas, nicht mal mehr an meinem allerliebsten Hobby. Und in der Manie ist es im Prinzip so, dass du gar nichts brauchst um glücklich zu sein. Du bist einfach in dir glücklich und zwar überglücklich. Ich habe stundenlang Musik gehört mit einem breiten Grinsen. Bin mehrmals mitten in der Nacht für mich alleine, beschallt durch meine Kopfhörer, durch das Wohnzimmer getanzt. Und, nein ich habe mit tanzen so gar nichts am Hut, ich war einfach so glücklich das ich tanzen wollte und die Energie musste irgendwohin. Wenn meine Frau und ich auf der Couch lagen und Fernsehen schauten war ich glücklich und zufrieden in meiner eigenen Welt, alleine mit meinen positiven Gedanken und Ideen. Von dem was wir uns ansahen bekam ich nur selten was mit. Meiner Familie und meinen Freunden, habe ich meinen Zustand damals so beschrieben. Ich sagte Ihnen es fühlt sich an wie der Kuss Gottes.

 

Verminderter Schlafbedarf oder Schlaflosigkeit

Seit jeher bin es gewohnt sehr schnell einschlafen zu können. Das funktionierte aber schon zu Beginn meiner Manie nicht mehr so einfach. Ich hatte unendlich viel Energie und war daher einfach nicht müde. Dazu kam, dass ich anfangs auch gar nicht schlafen wollte, ich hatte Angst, diese wichtigen, schönen Gedanken und kreativen Ideen morgen wieder vergessen zu haben. Oft stand ich nachts auf um die Gedanken aufzuzeichnen, oder um an etwas zu arbeiten, dass mir spät Nachts in den Sinn kam. Während meiner Manie schlief ich zumeist schätzungsweise vier Stunden pro Nacht und je weiter die Manie fortschritt umso weniger schlief ich. Aber nicht mehr weil ich nicht wollte, sondern weil ich einfach nicht konnte. Ich wusste und merkte das ich dringend schlaf benötige, aber egal was ich auch probierte es klappte nicht. Schlaftabletten hatten keinen Effekt, ich spürte Nichts. Marihuana hatte ich niemals gut vertragen, bzw. benötigte ich nur kleinste Mengen um kurz darauf richtig breit auf der Couch im Sitzen mit der Hand in der Chips tüte einzuschlafen. Aber auch das funktionierte nicht. Am Abend und in der Nacht vor der Klink Einweisung rauchte ich mindestens fünf Joints. Diese Menge hätte mich normalerweise in die Knie gezwungen und ich wäre in der Embryostellung neben der Kloschüssel gelegen. Aber ich wurde weder müde noch bemerkte ich überhaupt irgendeine Auswirkung, als wären es stinknormale Zigaretten. In dieser letzten Nacht schlief ich keine einzige Sekunde.

Schlafmangel setzt dem Körper ordentlich zu. Ich hatte zwar Energie, merkte aber deutlich, dass der Körper langsam aber sicher schlapp macht. Und auch am Geist geht der Schlafenzug nicht spurlos vorbei. Die Konzentrationsfähigkeit nimmt stark ab. Das Autofahren zum Schluss hin kann ich nur als abenteuerlich und gefährlich bezeichnen.           

 

Übersteigertes Selbstbewusstsein bis hin zu Größenideen

Mein Selbstbewusstsein war glücklicherweise seit meinem frühen Erwachsenenalter schon sehr stabil und etwas groß. Aber das Selbstbewusstsein das sich während der Manie aufbaut ist gewaltig. Und die Kombination aus den verschiedenen anderen Symptomen trägt Ihren Teil bei, mehr Energie, unfassbare Kreativität, erhöhte Leistungssteigerung, Kommunikationsfreude. Bald hielt ich mich für den schlausten Menschen den ich kannte, damit natürlich auch schlauer wie alle meine Angehörigen und Freunde. Viele habe ich mit meinen Aussagen vor den Kopf gestoßen. Ich war mir auch sicher ich besitze eine derart hohe soziale Intelligenz, das ich die Gefühle und Gedanken der Menschen teilweise lesen kann. Wenn meine Frau traurig war, weil Sie so langsam realisierte das dies alles nicht mehr normal war. Hörte ich nicht hin, vielmehr analysierte ich Ihre Ängste, woher diese wohl kommen und was wir am besten dagegen machen sollten. Das geht meiner Frau heute noch sehr nah.

Es ist unglaublich wie sich ein derartiges Selbstbewusstsein auch auf andere Menschen auswirkt, bzw. welchen Türen es öffnen kann. Ich hatte einige der erfolgreichsten und prominentesten Unternehmer meiner Region wegen eines persönlichen Termins angerufen. Anrufe die in aller Regel von der Vorzimmerdame abgeschmettert werden. Doch ich konnte in den meisten Fällen die Vorzimmerdame und den Unternehmer überzeugen und hatte meinen Termin. Aber auch die Frauen sind auf das Selbstbewusstsein angesprungen. Als ich an einem Abend in einer Bar feiern war, lief ich durch das Lokal als würde es mir gehören und trotz Rauchverbot rauchte ich wo es mir grad passte. Noch nie in meinem Leben wurde ich von so vielen Frauen angesprochen. Gegen Ende der Manie, war ich mir sicher, ich bin wie Elon Musk. Wenn ich wollen würde dann könnte ich ganz einfach Millionär werden. Ich war mir sicher alles erreichen zu können was ich wollte.

 

Gesteigerte Leistungsfähigkeit und Kreativität

Im Film „Ohne Limit“ dreht sich alles um eine Pille die das volle Potenzial des Hirns freisetzt. Der Protagonist wird dadurch zum Genie. Mit dieser Pille habe ich oft beschrieben was grad in meinem Hirn passiert. Ich hatte unzählige Ideen in meinem Schädel, eine kreativer als die Andere. Aber nicht nur das. Ich war auch produktiv, ich schrieb während dieser Zeit unzählige Seiten von Ideen zusammen, später zeichnete ich meine Gedanken nur noch mit dem Audiorecorder auf, da ich beim Schreiben das Gefühl hatte Zeit zu verlieren. Manche Ideen wurden nur mit einem Absatz beschrieben und bei anderen Ideen hatte ich alles bis in das kleinste Detail geplant und akribisch notiert. Ich schrieb auch viele Gedichte, das tat ich schon immer. Auch einen richtigen Song über für meine geliebte, verstorbene Großmutter habe ich professionell produziert. Ich habe den Text geschrieben, jemanden engagiert eine Melodie entsprechend meiner groben Vorgabe zu machen und einen professionellen Sänger der mein Lied auf gesungen hat.

Nach meiner Manie habe ich mir alles nochmals durchgelesen und mir alle Audiodateien angehört. Ich war mir sicher, dass ich nur dachte genial zu sein und das diese Aufzeichnungen nicht zu gebrauchen wären, immerhin stammen Sie ja von einem kränkelnden Geist. Aber die Ideen waren gut, die Gedanken waren kreativ. Es war nichts Dummes oder Verrücktes dabei. Allerdings war die Erfolgswahrscheinlichkeit jeweils sehr positiv ausgelegt, was dem extrem übersteigerten Selbstbewusstsein geschuldet war. Die Gedichte waren teils gefühlvoll, teils witzig, so wie immer und der produzierte Song ist wunderschön geworden. 

Wenn ich ein Skript für eines dieser Videos schreibe, bin ich viele Stunden damit beschäftigt. In meiner manischen Phase hätte ich in derselben Zeit vermutlich 5 Skripte geschrieben.

 


VORSCHAU

 

Im nächsten Blog Beitrag „Wie fühlt sich eine Manie an? Teil 2“ schreibe ich über die Symptome Reizbarkeit und Aggressives Verhalten, Rasende Gedanken und Gedankensprünge, Rededrang und Redegeschwindigkeit, Konzentrationsprobleme und Gedächtnis, Erhöhter Sexualtrieb und Enthemmtheit, Impulsives Verhalten und Wahnvorstellungen.

 


VERABSCHIEDUNG

 

Das Ihr euch informiert ist sehr lobenswert und ein wichtiger Schritt zur Unterstützung eurer Angehörigen in dieser schweren Zeit.

 

Ich hoffe sehr, dass ich euch einen kleinen Eindruck davon geben konnte was es bedeutet manisch zu sein.

 

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

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